FASD
Die fetale Alkoholspektrum Störung, kurz FASD, ist die häufigste angeborene Behinderung. Die hirnorganische Schädigung entsteht durch mütterlichen Alkoholkonsum während der Schwangerschaft. Experten sind sich einig, dass es für Schwangere keine unbedenkliche Trinkmenge und keine Schwangerschaftsphase gibt, in der Alkoholkonsum sicher ist. Doch die Risiken von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft sind noch nicht fest in den Köpfen verankert.
Die Auswirkungen der pränatalen Schädigung durch Alkohol belasten die Betroffenen ein Leben lang. Denn therapierbar ist FASD nicht. Die im Mutterleib entstandenen alkoholbedingten Schäden, die von Gesichtsauffälligkeiten und Wachstumsstörungen über Verhaltensauffälligkeiten, fehlender Alltags- und Sozialkompetenz bis zu kognitiven Defiziten reichen, sind irreversibel und wären zu 100 Prozent vermeidbar gewesen.
Exekutive Funktionen
Störungen der exekutiven Funktionen können als ein Kernsymptom von FASD betrachtet werden. Unter exekutiven Funktionen werden unsere Alltagsfähigkeiten verstanden. Es sind komplexe Handlungen, an denen viele Teile des Gehirns beteiligt sind, die zur Ausführung bestimmter Vorhaben oder Aufgaben erforderlich sind. Wir erklären dies einmal anhand des Beispieles "Kleidung aufräumen".
1. Anfangen ist schon die erste Hürde.
2. Herumliegende Kleidung sortieren, nach gebraucht => in die Wäsche, kann man noch anziehen => auf den Stuhl, ist noch frisch => kann in den Schrank.
Oft landet dann die komplette Wäsche auf einem Haufen oder im Wäschekorb.
3. Nicht nur das Durchführen an sich ist schwer, auch das Fertigwerden. Es gibt viele ablenkende Faktoren. Zum Beispiel ein Spielzeug, dass gerade in die Hände fällt und damit das Projekt "Aufräumen" aus dem Wahrnehmungsbereich verschwinden lässt.
Die exekutiven Funktionen werden in drei Gruppen eingeteilt.
Wir haben sozusagen ein inneres Stopp-Schild, das uns warnt, die Kontrolle über Impulse nicht zu verlieren. (Wir beschimpfen andere Menschen nicht, auch wenn uns danach wäre!). Menschen mit FASD gelingt dieses häufig nicht. In dem Aufräumbeispiel könnte es der Impuls sein, dem Vater etwas an den Kopf zu schmeißen, da der diese Aufgabe eingebrockt hat.
Die exekutiven Funktionen sind die Voraussetzung für eine selbständige Lebensführung und Voraussetzung für gelingende soziale Beziehungen.
Viele Kompetenzen, die wir dafür benötigen, bauen auf den exekutiven Funktionen auf, wie z.B.:
- das eigene Verhalten bewusst steuern
- vorausschauend handeln und sich realistische Ziele setzen
- sich einer Sache konzentriert über einen längeren Zeitraum widmen und nicht frühzeitig abbrechen
- Probleme und Konflikte selbstständig und gewaltfrei lösen
- sich auf neue Situationen und Aufgabenstellungen schnell einstellen
- sich in andere hineinversetzen und Perspektiven wechseln
- Prioritäten setzen und Handlungsverläufe reflektieren
- im Umgang mit anderen fähig sein, die eigenen Gefühle zu kontrollieren
- Punktgenaues Abrufen von Gelerntem
Störungen der Exekutivfunktionen führen zu erheblichen Einschränkungen der Alltagskompetenzen. Auch bei einem IQ im Normalbereich sind Menschen mit FASD oft nicht in der Lage, ihre Intelligenz angemessen zu nutzen und den sozialen Erwartungen zu
entsprechen.
Betroffene brauchen zum Ausgleich dieser Beeinträchtigungen stabile Alltagsroutinen. Häufig ist hierfür eine kontinuierliche, enge Begleitung erforderlich. Über 80% der Menschen mit FASD bedürfen lebenslanger Unterstützung.
Den Betroffenen und ihren Bezugspersonen schlägt leider oft Unverständnis, Unwissenheit und fehlende Erfahrung im Umgang mit dieser unsichtbaren Behinderung entgegen!